Eine Umfrage von Eurac Research und dem Landesinstitut für Statistik ASTAT, die auf der Basis einer Zufallsstichprobe mit rund 1.300 Südtirolerinnen und Südtirolern durchgeführt wurde, liefert wichtige Daten zur Wahrnehmung von Klimawandel, Klimaschutz und Nachhaltigkeit innerhalb der Bevölkerung.
Das ist ein zentrales Ergebnis einer Umfrage von Eurac Research und dem Landesstatistikinstitut ASTAT, welche im Sommer 2022 durchgeführt wurde. Die Umfrage erfolgte auf Basis einer Zufallsstichprobe und lässt daher Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung zu. Etwa 1.300 Bürgerinnen und Bürger der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol wurden zu ihren Einschätzungen, Ansichten und Verhaltensweisen in Bezug auf Klimawandel, Klimaschutz und Nachhaltigkeit befragt. Der Großteil der Befragten sprach sich dabei für eine Reduzierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs zugunsten des Klimas aus. Der Wunsch nach einer intakten Natur und mehr sozialer Gerechtigkeit rangiert deutlich vor wirtschaftlichen Interessen.
„Die Ergebnisse zeigen ganz eindrücklich, dass der Klimawandel von fast allen Südtirolerinnen und Südtirolern, nämlich von über 96 Prozent, als ernstes Problem für die Welt wahrgenommen wird, das sich auch ganz konkret und mit überwiegend negativen Folgen auf das Leben in Südtirol auswirkt“, resümiert Felix Windegger, Sozioökonom am Center for Advanced Studies von Eurac Research. Es ist daher nicht verwunderlich, dass fast zwei Drittel der Befragten angeben, dass in Südtirol mehr für Klimaschutz getan werden solle. In der Verantwortung sehen sie vor allem die Landesregierung (75 Prozent), die Unternehmen (74 Prozent) sowie die Bürgerinnen und Bürger selbst (69 Prozent). Etwa 84 Prozent sind der Ansicht, Südtirol müsse den Energie- und Ressourcenverbrauch zugunsten des Klimas reduzieren. 82 Prozent der Befragten gaben an, dass man auch in Sachen Klimaanpassung einen Zahn zulegen müsse, um für die Folgen gewappnet zu sein. Über 70 Prozent sind der Meinung, dass die Politik den Klimaschutz vor wirtschaftliche Interessen stellen sollte.
Im Zuge der Umfrage wurde außerdem erhoben, wie die Bevölkerung zu unterschiedlichen politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels steht. Ob es nun darum geht, klimaschädliche Produkte zu verteuern (84 Prozent) oder, etwa im Falle von neuen Ölheizungen, diese zu verbieten (86 Prozent), verstärkt in die Forschung und Entwicklung zu klimafreundlichen Produkten und Technologien zu investieren (91 Prozent) oder die Umweltbildung an Schulen und in Betrieben zu fördern (95 Prozent): die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Menschen die zum Klimaschutz notwendigen Schritte als eher bzw. sehr wichtig einstufen.
Klimawandelskeptisch äußerte sich mit 5 Prozent nur eine Minderheit der Befragten. „Fast 70 Prozent sind überzeugt, dass der Mensch mit seinem Handeln Hauptverursacher des Klimawandels sei. Knapp ein Viertel der Befragten gab jedoch an, dass menschliches Handeln und natürliche Prozesse zu gleichen Teilen Auslöser der Klimakrise seien – und das, obwohl in der Klimaforschung Konsens darüber besteht, dass menschliche Aktivitäten die Hauptursache des momentanen Temperaturanstiegs sind“, unterstreicht Windegger. Aufholbedarf gebe es daher immer noch in Sachen Information und Kommunikation. Das zeigt sich auch daran, dass fast ein Drittel der Südtirolerinnen und Südtiroler angab, noch zu wenig über das Thema Klimawandel und Klimaschutz zu wissen.
Die Ergebnisse der Umfrage weisen ganz grundsätzlich auf einen starken Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit in der Südtiroler Bevölkerung hin, der sich durch alle Altersgruppen und Bildungsstufen zieht. So denken 94 Prozent der Befragten, dass in Südtirol mehr für Nachhaltigkeit getan werden sollte, vor allem in den Bereichen Mobilität, Tourismus, Handel und Konsum sowie in der Landwirtschaft. Der Großteil der Südtirolerinnen und Südtiroler ist laut eigenen Angaben bemüht, sich im Alltag nachhaltig zu verhalten, allerdings nur solange es sich auch ohne großen Aufwand umsetzen lässt. Das spiegelt sich auch in den konkreten Verhaltensweisen wider. Während Mülltrennung und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten beim Lebensmittelkauf für die meisten zum Alltag gehört, könnte sich mehr als die Hälfte der Südtirolerinnen und Südtiroler nicht vorstellen, auf ein eigenes Auto zu verzichten. Auch das aktive Engagement für mehr Nachhaltigkeit – beispielsweise durch die Mitarbeit in einer Umweltschutzorganisation oder die Teilnahme an Demonstrationen – ist in der Bevölkerung gering ausgeprägt.
Auch zu ihrer Einstellung bezüglich dieser drei Dimensionen der Nachhaltigkeit wurden die Personen befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass der intakten Natur die größte Bedeutung für die Entwicklung Südtirols in den kommenden 10 Jahren zugeschrieben wurde. 95 Prozent stufen diese als eher bzw. sehr wichtig ein, dicht gefolgt von der sozialen Gerechtigkeit (92 Prozent). Deutlich abgeschlagen findet sich die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit (79 Prozent). Den größten Handlungsbedarf sehen die Befragten im Bereich der sozialen Gerechtigkeit (fast zwei Drittel). Etwa 60 Prozent sprechen sich dafür aus, dass es mehr Maßnahmen zum Schutz unserer Ökosysteme brauche. In Bezug auf die wirtschaftliche Situation zeigt sich eine völlig andere Einschätzung: Nur knapp ein Viertel der Befragten findet, dass derzeit in diesem Bereich zu wenig getan werde. Jede und jeder Fünfte ist hingegen sogar der Ansicht, dass diesbezüglich zu viel getan werde.
Was den Blick in die Zukunft anbelangt, so zeigt die Studie ein gespaltenes Bild. Beinahe die Hälfte der Befragten, nämlich 45 Prozent, gab an, pessimistisch in die Zukunft zu schauen. Als die größten globalen Herausforderungen wurden ökologische Krisen wie der Klimawandel und die Zerstörung der Natur sowie bewaffnete Konflikte genannt. Auch Armut, Hunger und Trinkwassermangel sind in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor sehr präsent.
Unterschiede stellt die Studie nach Geschlecht, Sprachgruppe, Bildung und Alter fest. „Jüngere Menschen fühlen sich zwar gut mit der Thematik vertraut, schätzen ihr eigenes Verhalten – vielleicht auch gerade weil sie bereits sensibilisiert sind – als weniger nachhaltig ein und sind auch seltener dazu bereit, mehr für nachhaltig produzierte Produkte auszugeben. Gleichzeitig ordnen sie Wirtschaftskrisen als größere globale Herausforderungen ein, als es etwa die ältere Generation tut“, sagt Felix Windegger. Eine genaue Interpretation sei schwierig. Die Ergebnisse könnten aber durchaus auf ein generelles Unsicherheitsempfinden junger Menschen hinweisen – auch, was ihre finanzielle Zukunft anbelangt.
Zur Umfrage - PDF
Die detaillierten Ergebnisse stehen unter folgendem Link zum Download zur Verfügung: https://webassets.eurac.edu