Zahlen machen es deutlich: Die Klimakrise hat Südtirol erreicht

 

LP - das Magazin des Landes Südtirol

Wie wird der Klimawandel die Natur im Alpenraum verändern? Die Daten über die globale Erwärmung sprechen – auch kleinflächig betrachtet – eine klare Sprache: Seit den 1960er Jahren ist die jährliche Durchschnittstemperatur in Südtirol um 1,5 Grad gestiegen. Die Landesmessstellen in Bozen und Brixen haben einen Anstieg der durchschnittlichen Sommertemperatur von bis zu drei Grad Celsius nachgewiesen. Dem Klimabericht von Eurac Research folgend, könnten die durchschnittlichen Sommertemperaturen nach dem „Worst-Case“-Szenario um 2,1 bis 5,4°C steigen. Für den Winter wird hingegen ein Temperaturanstieg zwischen 1,8 und 3,4°C prognostiziert. Auch die sogenannten tropischen Nächte, in denen die Temperaturen nicht unter 20 Grad fallen, nehmen zu. 2015 waren es 29, und nach Schätzungen könnten sich die Nächte, in denen die Hitze den Schlaf beeinträchtigt, bald verdoppeln. Auch Anzahl und Intensität der Gewitter nehmen im Zusammenhang mit dem Temperaturanstieg zu. Eine Datenkette liegt noch nicht vor (die Erhebungen begannen 2007), aber die Rekordzahl von 100.000 Blitzeinschlägen, die 2017 verzeichnet wurde, liefert eine Vorstellung dieser Entwicklung. Dem Klimabericht zufolge besteht kein Zweifel am Trend: Es kommt zu immer heißeren und trockeneren Sommern, dafür milderen und feuchteren Wintern mit starken Niederschlägen.

Jeder Südtiroler verursacht 7,5 Tonnen CO2

Hier stellt sich die Frage: Wieviel Treibhausgas-Ausstoß verursacht Südtirol? Dies genau festzustellen oder zu berechnen, ist nicht einfach. International durchgesetzt hat sich die vom Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) entwickelte Methode, die sich auf ein bestimmtes geografisches Gebiet bezieht. Für Südtirol wird dafür ein Pro-Kopf-Mittelwert von 5,3 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent ausgewiesen. Rechnet man die sogenannten grauen Emissionen (die mit dem Konsum eingeführter Produkte zusammenhängen) hinzu, so kommen auf jeden Südtiroler 7,5 Tonnen CO2-Äquivalente. Der Treibhausgas-Ausstoß in Südtirol ist zu 44 Prozent dem Verkehr (1203kt CO2-Äquivalent) zuzuschreiben, zu 36 Prozent der Wärmeerzeugung (985kt CO2-Äquivalent), zu 18 Prozent der Landwirtschaft und zu zwei Prozent anderen Quellen. Insgesamt sind es 2733 Kilotonnen CO2-Äquivalent.
Beim Verkehr ist der Straßenverkehr für 99 Prozent der Emissionen verantwortlich. Die Wärmeenergieerzeugung für Heizungen und Industrie und die Verluste im Gasverteilungsnetz (2,3% aller Treibhausgasemissionen in Südtirol) tragen ebenfalls in erheblichem Ausmaß zur Treibhausgas- Gesamtmenge bei, die sich zu 76,4% aus Kohlendioxid, zu 15,2% aus Methan und zu 8,4% aus Lachgas zusammensetzt.

Einige Unterschiede zu Italien

Diese Daten spiegeln – vor allem im gesamtstaatlichen Vergleich – die sozioökonomischen Besonderheiten Südtirols wider. Sie zeigen: Die in Südtirol durch den Straßenverkehr und die Landwirtschaft verursachten Emissionen liegen über dem gesamtstaatlichen Durchschnitt, jene des Industrie- und Heizungssektors hingegen darunter. Besonders groß ist der Unterschied im Bereich der Energieerzeugung: Südtirol weist einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien auf, vor allem dank Wasserkraft. Daher sind die Emissionen vernachlässigbar.
Der Klimabericht, den Eurac Research auch auf der Grundlage des umfassenden Datenmaterials des Landes erstellt hat, durchleuchtet verschiedenste Bereiche. Analysiert werden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesellschaft mit besonderem Fokus auf die Wasserwirtschaft, die Land- und Forstwirtschaft, die Siedlungen, den Tourismus und die Gesundheit. Beleuchtet werden auch die Auswirkungen, die der Klimawandel auf die Natur in Südtirol hat. Dabei werden auch die folgenschweren Unwetterereignisse der vergangenen Jahre berücksichtigt.

Immer mehr Naturereignisse mit großen Folgen

Naturgefahren gehören seit jeher zum Leben in den Bergen. Auch die Bevölkerung in Südtirol ist einer Vielzahl unterschiedlicher Naturgefahren ausgesetzt. Wassergefahren wie Muren, Hangrutschungen und Überflutungen kommt dabei die größte Bedeutung zu.
In den vergangenen Jahren wurden mehrere folgenschwere Naturereignisse verzeichnet, die mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden: Im Sommer 2016 gab es beispielsweise in den Sextner Dolomiten einen der „massivsten Bergstürze, die in Südtirol je verzeichnet worden sind“, wie es im Klimabericht heißt. 500 Kubikmeter Fels brachen damals von der Kleinen Gaisl ab. Ein weiterer großer Steinschlag ereignete sich im Jänner 2014 auf der Staatsstraße von Schluderns nach Taufers im Münstertal. Auch in diesem Fall spielte vermutlich die durch Niederschläge verursachte Instabilität des Hangs eine entscheidende Rolle. Infolge des Steinschlags musste der Straßenverlauf geändert und der Verkehr für mehrere Wochen weiträumig über den Reschenpass und das Engadin umgeleitet werden, die Ortschaft Taufers war für mehrere Tage vom restlichen Landesgebiet abgeschnitten. Ein drittes Beispiel ist die Hangmure „Crep de Sela“, die im August 2016 in Corvara abging. Als Auslöser gelten die hohen Niederschläge im Frühling und im Sommer 2016 sowie das Abschmelzen von Permafrost.

Der Artikel stammt aus LP, das neue Magazin des Landes Südtirol 4-2020
Von Fabio Gobbato. Übersetzung von Johanna Wörndle.